Operavision


Für meinem neuesten Radiobeitrag habe ich mir die Plattform Operavision.eu angesehen. Wenn man so will, handelt es sich hier um das Mubi.com des Opernbereichs. Was taugt der Streamingdienst für Opernproduktionen, Konzerte und Tanzperformances?

Das Problem digitaler Kulturangebote

Der Mensch ist nur eine bestimmte Anzahl von Stunden am Tag wach und davon hat er nur einen Bruchteil zur freien Verfügung. Der harte Konkurrenzkampf um die Zeit und die Aufmerksamkeit des Publikums hat sich in der digitalen Welt noch weiter zugespitzt, sodass z.B. Netflix höhere Widergabegeschwindigkeiten anbietet, um mehr Konsum zu ermöglichen. Der Konflikt bleibt: Jede Entscheidung für eine Oper auf Operavision ist eine Entscheidung gegen die neuste Folge der Lieblingsserie auf Netflix. Vielleicht ist dann doch der Opernbesuch in Präsenz die bessere Wahl, wenn man sich bewusst einer Darbietung vertieft widmen möchte. Die Hemmschwelle, aus dem Saal zu gehen ist einfach höher, als den Tab zu schließen oder im Video weiterzuskippen.

Double Side

Screenshot von „Double Side“ auf Operavision

Die Tanzperformance »Double Side« von der italienischen Kompanie Aterballetto ist zweiteilig angelegt. Im ersten Teil erklingt Arvo Pärts Stabat Mater, das der kubanische Koreograph Norge Cedeño Raffo koreographiert hat. Im zweiten Teil hat die kanadische Koreografin Danièle Desnoyers eine neu zusammengestellte Suite von Purcell-Stücken in Tanz gefasst – mit dem Anspruch Purcell mit neuen Ohren zu hören und sich mit der kolonialistischen Zeit auseinanderzusetzen, aus der sie stammt. Auf Operavision äußert sie:

»Wie können wir eine kritische Haltung zu den Stücken einnehmen, deren Pracht und Schönheit uns ebenso erfreuen wie ärgern.«

Danièle Desnoyers, kanadische Koreographin auf Operavision

Was mir musikalisch auch mehrere Wochen nach der Arbeit an dem Radiobeitrag im Ohr geblieben ist: Das Interlude vom elektronischen Klangkünstler Ben Shemie. (Sprungmarke bei 52:50)

https://youtu.be/zSuobkGVVkw?t=3170

Screenshot von der polnischen Oper „Jawnuta“ auf Operavision

Jawnuta

Die Oper »Jawnuta« ist auf Operavision als Aufzeichnung einer Produktion aus dem polnischen Opernhaus Poznań (dt.: Posen) zu streamen. Es handelt sich hier um eine Oper vom Komponisten Stanisław Moniuszko, der als begründer der polnischen Nationaloper gilt. Die Geschichte vom jungen Stach und dem Roma-Mädchen Chicha bedient allerlei antiziganistische Klischees, weshalb sich die Regisseurin Ilaria Lanzino dazu entschieden hat, die Moniuszkos originale Nummern mit den Songs einer Roma-Band abzuwechseln (Gesang: Sara Czureja-Łakatosz). Dem Publikum werden außerdem bildgewaltige Tableaus zu den Aspekten Flucht und Vertreibung präsentiert. Außerordentlich gelungen, wie ich finde!


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert